Die Begründungen dafür, warum man trinkt, sind so vielfältig und unterschiedlich wie die Menschen, die alkoholabhängig werden. Es gibt keine plausible Erklärung. Es gibt keinen Grund: 'Ich trinke, weil die Flasche da ist'. Vieleicht ist es das permanente unerfüllbare Bestreben, der sein zu wollen, von dem man glaubt, das andere denken, der man ist. Der Alkohol soll emotionale Defizite kompensieren. Was wäre mir das unangenehm
gewesen, wenn mir jemand gesagt hätte, das mein Trinkverhalten nicht
"normal" ist. Alles mögliche habe ich unternommen um das
zu verbergen. Trinker sind Meister des Verbergens, des Lügens und
Betrügens. Bis es dann zwangsläufig doch passierte. Nach und
nach kamen die Vorhaltungen von Ehepartner, Freunden und Arbeitskollegen.
Und es kamen auch die Ausflüchte die so typisch sind: "Ich
bin doch nicht abhängig. Ich kann jederzeit aufhören. Wer trinkt
nicht gerne mal ein Gläschen mehr? Ich brauche das um meine Hemmungen
zu überwinden. Ich bin immer so nervös. Ich kann nicht einschlafen.
Ich will Spaß." "Ich bin Alkoholiker" Dann war es war für mich wie eine Erlösung. Aber Alkoholiker sind Willens- und Charakterschwache, Haltlose, Labile, Asoziale, Sünder, Neurotiker, Psychopathen und Penner. So ist auch heute noch die Meinung vieler Mitbürger und teilweise auch die von Vertretern der Heilberufe. Und diese Einstellung ist es auch , die es dem Trinker so schwer macht, sich zu bekennen und nach einem Ausweg aus seinem Dilemma zu suchen. Denn wer will sich schon selbst als Willensschwach und Charakterlos einstufen. Alkoholismus ist keine schlechte Angewohnheit, Alkoholismus ist eine Krankheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat seit 1964 den chronischen Alkoholmissbrauch als Krankheit eingestuft. Der Begriff 'Trunksucht' wurde durch 'Alkoholabhängigkeit' oder 'Alkoholkrankheit' ersetzt. Nun mag es Trinker geben, die voller Selbstmitleid resignieren und sagen, wenn dass so ist, wenn ich also krank bin, dann kann man ja nichts machen, dann muss ich ja trinken. Es ist keine Schande Alkoholiker zu sein, aber es ist eine Schande, wenn man nichts dagegen unternimmt. Die Einstellung "Das
schaffe ich auch alleine" hilft meist nur kurzzeitig. Eine
Krankheit wie 'Diabetes' oder 'Krebs' kann man auch nicht mit 'eisernem
Willen' beikommen. Wenn man sich der Machtlosigkeit gegenüber dem
Alkohol bewusst geworden ist, kann man sich auf den mühsamen Weg
der Rehabilitation begeben. Hier darf man sich nicht scheuen die
Hilfe von Leuten anzunehmen, die entsprechende Erfahrungen haben.
Ein erfolgversprechender Weg geht über Genauso wie der Säufer
in der Öffentlichkeit auf Ablehnung stößt, so gilt auch der abstinente
Alkoholiker in seinem Umfeld als Außenseiter. Er stört die Illusion
von der Harmlosigkeit und Poesie des Trinkens. Außerdem bietet er
ein breites Projektionsfeld für eigene Schuldgefühle. Wer mit dem Rauchen aufgehört hat ist ein Nichtraucher. Hier wird nicht gefragt. ob er überhaupt schon mal geraucht hat oder wie lange er schon nicht mehr raucht. Wer es schafft vom Heroin oder anderen harten Drogen loszukommen ist ein Ex-Junkie. Er wird bewundert wegen seines Erfolges. Wer aber den Konsum von Alkohol ablehnt mit der Begründung er sei Alkoholiker, der gilt als Säufer auch wenn er schon jahrelang trocken ist. Es genügt daher nicht nur dem Suchtmittel zu entsagen und abstinent zu leben, sondern der nüchterne Alkoholiker benötigt auch eine gehörige Portion Selbstbewusstsein um in einer trinkenden Gesellschaft mit Ausgrenzung und Stigmatisierung zurecht zu kommen. Die bislang einzige Erfolgversprechende Lösung auf diesem Weg ist der regelmäßige Besuch einer Selbsthilfegruppe. Heute nach geraumer Zeit Abstinenz bin ich immer noch froh das ich nicht mehr trinken muss und das ich der sein kann, der ich bin. Ich muß mich nicht verstecken. Ich bin Alkoholiker 'und das ist gut so'.
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